Geschichte

Eine Chronik zum 50- jährigen  Bestehen des Magdalenenhofes

                              von Maria Harder  im Jahr 2006

50 Jahre ist es her, da wagten 12 Landwirte  den Schritt auszusiedeln. Mit dabei unsere Eltern, die fast auf den Tag genau vor 50 Jahren in diesen Hof einheirateten und  vor kurzem  ihre goldene Hochzeit feiern durften.

Der mutige Schritt dieser Landwirte damals war ein Schritt ins ungewisse. Es gab bestehende Höfe im Ort, die aufgegeben werden mussten,  hohe Schulden waren zu verkraften, die Zukunft der Landwirtschaft war schon damals nicht nur rosig.  Dazu kam, dass beim Einzug lange noch nicht alles  fertig war.

Unsere Eltern waren dabei ganz auf sich selbst gestellt und auch als wir vier Kinder in kurzen Abständen die Familie bereicherten blieben Hof- Stall-Feldarbeit, Haushalt, Garten, Kinder, während 365 Tagen im Jahr ganz alleine an diesen beiden Personen hängen und nebenbei bemerkt, es blieb trotzdem noch Zeit für Vereine und Berufsverbände. Heute, mit geregelten Freizeit- und sonstigen Ansprüchen  fast nicht mehr vorzustellen.

Ebenfalls unvorstellbar ist heute, wie damals Feldarbeit betrieben wurde. In den ersten Jahren wurde mit einem 17 PS Fahr Traktor der ganze Betrieb bewirtschaftet.
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Als ein paar Jahre später ein 50 PS Güldner Traktor angeschafft wurde, sorgte das bei Nachbarn und Bevölkerung für große Verwunderung. Und das ist sehr vorsichtig ausgedrückt,  50 PS und auch noch mit Frontlader und Allrad, fast könnte man sagen, man hielt ihn für etwas verrück,  wie sich die Zeiten doch geändert haben.

Aber gerade die Anschaffung dieses Traktors ist mit bezeichnend  für die schon immer nach vorne blickende Bewirtschaftung dieses Betriebes. Schon früh erkannte unser Vater, dass gerade, wenn keine weiteren Helfer zur Verfügung stehen, zum einen der  Einsatz entsprechender Maschinen unverzichtbar ist, andererseits so arbeitsintensive Kulturen wie Kartoffeln und Futterrüben für diesen Betrieb nicht günstig sind.

Stattdessen griff unser Vater auf die Erfahrung aus amerikanischer  Kriegsgefangenschaft zurück.  Dort hatte er den Maisanbau kennen gelernt, den es damals in unseren Gefilden noch nicht gab. In Pionierarbeit brachte er den Mais in unsere Region, was nicht nur Probleme bei der Saatgut- und Spritzmittelbeschaffung mit sich brachte, nein er musste dazu  noch manchen Spott aushalten, weil Mais in diesen Regionen doch sowieso nicht wachse.

So wie es den Mais hier nicht gab, gab es auch keine Sägeräte und Trocknungsanlagen – wofür auch. Also nahm unser Vater seinen Rechenschieber  - die älteren unter uns kennen dieses Gerät noch -, für die jüngeren würd ich sagen, es ist so was wie die Vorstufe vom Taschenrechner - Vater hatte ihn immer dabei, er setzte sein großes technisches Geschick unter Beweis und baute die nötigen Maschinen kurzerhand selbst. Ja, so was ging auf dem Magdalenenhof. Ohne Studium, ohne Erfahrung und ohne Computer wurden Maschinen und nicht nur die beiden erwähnten einfach selbst gebaut.

Im Laufe der Zeit ist der Betrieb auf ca. 30 ha angewachsen. 1964 hatte unser Vater einen sehr schweren Betriebsunfall Die weitere Bewirtschaftung in der bisherigen Form war in Frage gestellt. Zuerst durch die Mithilfe der Nachbarn, danach mit Lehrlingen und vor allem dank der unermüdlichen Unterstützung durch unsere Mutter konnte der Betrieb weitergeführt werden.

Die Situation der Landwirtschaft verschlechterte sich, der Beruf Landwirt war nicht mehr attraktiv, so dass es keine Lehrlinge mehr gab und der Betrieb 1972 massiv  verkleinert werden musste. Fast alle Kühe wurden verkauft. Der Stall wurde leer und das Pachtfeld wurde abgegeben. Unser Vater fand eine Arbeitsstelle  in der landwirtschaftlichen Beratung.
Vorübergehend stand gerade noch eine Kuh im Stall, um die Weiden abzugrasen, wurde mit Schafzucht begonnen. Das bescherte uns zum einen liebliche Lämmchen jedes Frühjahr, zum anderen aber auch ungewohnte Schlachtfeste, wenn türkische Mitbürger das erworbene Tier an Ort und Stelle schlachten wollten.

Auf diesem restlichen Bestand an Landwirtschaft wurde der Betrieb wieder aufgebaut, als Thomas ihn übernommen hat.  Der Viehbestand wuchs  wieder auf 20-25 Tiere, Feld wurde wieder zugepachtet, wobei man allerdings an manchen Stellen mit weniger guten Grundstücken wie zuvor Vorlieb nehmen musste. Trotz dieser Vergrößerung war der Betrieb im Prinzip zu klein. Mit Ackerbau und Viehzucht würde man der Entwicklung immer hinterherhinken im Wettbewerb mit anderen und die Existenz war langfristig so nicht gesichert. Thomas hat das ganz emotionslos  erkannt .. Dabei war für ihn immer klar, dass er kein SS Bauer werden möchte. (Samstag – Sonntag/ Nebeneerwerbs Landwirt)  Wobei das nichts unanständiges ist. Wissen Sie wofür das steht?
Für ihn kam nur ein Vollerwerbsbetrieb in Frage, werktags irgendwo arbeiten und am Wochenende ein bisschen Landwirtschaft, nein darauf  wollte er sich nicht einlassen.  Als Vollerwerbsbetrieb in der bisherigen Form wären aber große Investitionen in Stallungen oder in die Erweiterung der landwirtschaftlichen Nutzflächen notwendig geworden, und die waren damals schwer zu bekommen.

Also hat Thomas nachgedacht und bei seinen Überlegungen erinnerte er sich, dass er auf der Fachschule für Landwirtschaft   etwas von Obstbau gehört und gelernt  hatte.  Interessiert hatte ihn das  damals zwar nicht wirklich, aber es gab doch einiges an Erinnerungen an diesen Teilbereich der Landwirtschaft.
So wurde 1983 ein erster Versuch mit 10 Ar Himbeeren gestartet. Unser Vater war nicht begeistert. „Johannisbeere hond mir im Dorf au scho mol ghet, des war nix“ war seine Meinung dazu. Aber, dass man bei neuen Ideen  mit Widerständen  leben muss,  das hatte Thomas schließlich beim Vater gelernt und sich  erfolgreich durchgesetzt.

Mit diesem Schritt wurde nicht nur der Einstieg in ein neues Produkt begonnen, es war zugleich der Einstieg in die Selbstvermarktung. Und Thomas sollte mit dieser Entscheidung  Weitsicht beweisen.  Bisher war man es gewohnt, einen zwar eher schlecht bezahlten dafür aber sicheren Markt zu haben, nun galt es, eigene Märkte zu erschließen. Für die Landwirtschaft war das  bis dahin eher unüblich, aber gerade diese Entscheidung war ein wesentlicher  Baustein für den weiteren Erfolg.
Nach kurzen mühsamen Anfängen war die Nachfrage nach der edlen Beere schnell weit größer als das Angebot und die Anbaufläche wurde verdoppelt und bis heute verfünffacht. Die Selbstvermarktung erwies sich dabei unverzichtbar, um einen reellen Preis zu erzielen. 

Witterungsabhängig war man in der Landwirtschaft schon immer, eine so leicht verderbliche Ware wie Himbeeren setzt noch strengere Maßstäbe. Flexibilität beim Ernten ist höchstes Gebot und wurde von allen Helfern stets als selbstverständlich gesehen, dafür gilt den Pflückerfrauen an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön.

Trotzdem kam es bereits in den Anfängen vor, dass durch einen schweren Hagel ein großer Teil der Ernte vernichtet schien. Aber zwischenzeitlich war auch unser Vater von der Himbeer-Idee überzeugt, und so war er es dann,  der nach dieser unheilvollen Situation  die rettende Idee hatte.  Alle Beeren wurden gepflückt und zu Himbeerwein veredelt, der dem Anlass entsprechend  zur Marke Hagel-Donnerwetter getauft wurde.

Die Sache  mit den Himbeeren lief insgesamt sehr gut an, aber gerade durch den Hagel und Schlechtwetterperioden  wurde auch  deutlich  wie verletzlich das Ganze sein kann. In seiner Weitsicht beschloss Thomas deshalb, ein zweites Obststandbein aufzubauen, 1988 wurden  zwei ha Äpfel angebaut.  Im darauffolgenden Frühjahr war man dann ganz stolz 50-70 Kisten Äpfel verkauft zu haben, zum Vergleich:  Heute entspricht das dem Umsatz von 2-3 Tagen.

Wie schon bei den Beeren war Vater erst skeptisch, aber dann gab er sich mit Elan  und Leidenschaft der neuen Sache hin. So wurden unter seiner Leitung bereits im nächsten Jahr in der eigenen Baumschule für 2 ha Apfelbäumchen herangezogen und verdelt. Mit der Zeit folgten weitere Beeren und Zwetschgen

Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Ackerbau und Viehzucht im bisherigen Stil weitergeführt.

Aber irgendwann meinte Thomas „1 Kuh macht muh, viele Kühe machen mühe.“ Und mit dieser Erkenntnis kam der Entschluss: jetzt müssen  die Kühe  weg.
Aber nach traditioneller Meinung gehören  für einen richtigen Landwirt  einfach Kühe in den Stall, sonst ist das kein richtiger Hof mehr. Um diese Einstellung des Vaters aufzubrechen war  viel Überzeugungsarbeit von allen Seiten nötig. Durch die  damit notwendige Abgabe des Milchkontingents war dieser Entschluss auch nicht rückgängig zu machen und musste deshalb erst rech sehr sorgfältig überlegt werden,
zumal auch die Milchwirtschaft zwar nicht gut bezahlt war aber doch regelmäßige kalkulierbare Einkünfte brachte.

Dagegen ist man  im Obstbau  noch stärker nicht beeinflussbaren  Ereignissen von schlechtem Wetter über Hagel bis Feuerbrand und nicht zuletzt billigem Obst aus dem Ausland ausgeliefert. Aber Thomas bewies Standhaftigkeit und die vielen „Mühe Kühe“ wurden nach und nach verkauft.

Der Selbstvermarktung blieb Thomas auch bei den Äpfeln treu. Allerdings geht heute längst nicht mehr alles über die Theke des eigenen Hofladens. Viele Wiederverkäufer wie Edeka, Mauch und Tankstellen schätzen die gute Qualität, die sie hier erhalten. Der ganzjährige Verkauf  machte recht schnell mehr Lagerkapazität nötig.  Auch hier war Thomas sehr vorausschauend und beschloss keine einfachen Kühllager zu bauen sondern in moderne CA Lager zu investieren. Auf diese Weise wird der Apfel ganzjährig lagerfähig  und kann in gleichbleibend guter Qualität angeboten werden.
Gleichzeitig wurden die nun  frei gewordenen Stallungsräume  umgebaut in einen Sortierraum sowie einen bedarfsgerechten Verkaufsraum, der die Selbstvermarktung komplett machte. So wurde es nun möglich, neben den eigenen Produkten Wurst, Müsli, Nudeln, und andere Produkte anzubieten, die das Sortiment sinnvoll ergänzten und abrundeten.
Diese doch erheblichen Baumaßnahmen wurden wie schon der ursprüngliche Bau des Hofes in Zusammenarbeit mit der Landsiedlung durchgeführt.

Was gehört zu einem Obstbetrieb schon seit alters her unbedingt dazu? Wie die Biene zum Honig, spätestens mit den Zwetschgen die Brennerei zum Obst. Thomas baute die Brennerei, Vater eignete sich Fachwissen an, kümmerte sich um das Brennrecht und betrieb das Brennen mit Leidenschaft und großem  Engagement und bewies einmal mehr sein vielfältiges Geschick.

Nachdem der Betrieb nun  fit auch für zwei Familien war, hat Thomas beschlossen, diesen Zustand  auszufüllen und Gaby geheiratet. Dafür wurde dann das Wohnhaus umgebaut, eine weitere erhebliche Baumaßnahme.

Die vorletzte Baumaßnahme, die dürfen wir heute alle genießen, sitzen wir doch darunter, um vor der herbstlichen Kühle etwas geschützt zu sein.  Das war selbstverständlich  nicht alleine die Motivation für diesen Bau -  diese Überdachung - nein es ging ganz einfach darum, die Großkisten im Trockenen zu lagern, um sauber arbeiten zu können und bei der Arbeit geschützt zu sein.

Mit all seinen Entscheidungen hat Thomas zum einen unternehmerische Fähigkeiten bewiesen,  zum anderen  stets zukunftsorientierte Herausforderungen  gesucht und angenommen, ein Beweis dafür ist seine neueste Errungenschaft. Eine große nach Süden reichende Dachfläche verlangt förmlich nach Solarzellen. Sein Solardach produziert 30 KW und spart  gegenüber Energie, die in einem Kohlekraftwerk produziert wird, jährlich über 21.000 kg Kohlendioxyd.

Ja und so präsentiert sich der Hof nun heute. In fünfzig Jahren nie stehen geblieben.
Stets darauf bedacht, baulich und thematisch nicht einfach mit der Zeit zu gehen, sondern sich der Zeit und ihrer Herausforderungen zu stellen.
Dass unsere Eltern und insbesondere Thomas nie davor zurückschreckten, große Investitionen auf sich zu nehmen um neue Ideen umzusetzen, machen den Betrieb zukunftstauglich. Thomas war stets bewusst, dass Stillstand schnell Rückschritt bedeutet

Und dass es mit der jetzigen Betriebsform auch noch möglich ist, im Gegensatz zu früher  einmal ein paar Tage Urlaub zu machen,  am Sonntag im Allgemeinen frei zu haben,  ist sicher zusätzliche Motivation und freut auch die Außenstehenden. Ich denke, unsere Eltern und Thomas mit seiner Familie dürfen auf diesen Hof und das Erreichte stolz sein, wir Geschwister sind es auch.

So wie wir Thomas kennen, wird es in der Geschichte des Hofes sicher weitere Stationen geben, und  das, was wir jetzt sehen, wird in ein paar Jahren oder Jahrzehnten  wieder nur ein Teil der dann gültigen Chronik  sein.

Und wir alle  wünschen dem Hof, dass er weiterhin mit soviel Umsicht und  Weitsicht, geführt wird und auf diese Art fit auch für die  Zukunft ist.

Chronik zusammengestellt von Maria Harder (älteste Schwester von Thomas aus Anlass des  50 –järhigen Jubiläums des Magdalenenhofes)